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…aus der philippinischen Presse

 



 

PRESSESCHAU VON HEIKO ECKARD

Samstag, den 22. Juni 2019

(zum Bild: Duterte: “Ist es rechtens fuer ein Land, einen ganzen Ozean zu beanspruchen?”)

 

Von der Haltbarkeit des Rechts – Ich weisz, es ist ein unangenehmes Thema, hat gestern schon kaum jemand gelesen, und heute verprell ich den letzten Leser, wenn ich das wieder aufgreife. Damit es recht garstig wird, beginn ich mit – Goethes “Faust”. Dieser deutscheste aller deutschen Sinnsucher will die Bibel in sein “geliebtes Deutsch” uebertragen und stolpert sofort:

Geschrieben steht: ‘Im Anfang war das Wort!

Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?’”

Nach einigem Gruebeln, ob er “Wort” besser durch “Sinn” oder “Kraft” ersetzt, rafft er sich auf:

Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat

Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!

Damit bin ich bei dem gestern erwaehnten Prinzip der “westphalian sovereignty”. Nach ihr gilt in dieser Welt die “Anarchie souveraener Staaten”, d.h. die UNO ist nichts als ein Debattier-Club. Entscheiden kann allein der Sicherheits-Rat, und dort sitzen die groeszten Halunken und halten sich in Schach. Ansonsten hat kein Staat der Welt einem anderen etwas zu sagen, und wenn der “souveraen” sein will, dann laesst er sich auch nichts sagen. So haben alle Vereinbarungen, Vertraege, Abkommen und Erklaerungen ein unausgesprochenes Haltbarkeits-Datum. Sie gelten, bis jemand etwas anderes tut – siehe Faust: „Im Anfang war die Tat!

Zur Debatte hier steht UNCLOS (UN Convention on the Law of the Sea). China hat seinen Beitritt zu UNCLOS im Juli 1994 ratifiziert und dies im Juni 1996 bei der UNO hinterlegt; die Philippinen taten dies ebenfalls im November 1994 und Juli 1997. Als die Philippinen chinesische Rechte in der SCS (South China Sea) anzweifelten, zogen sie im Februar 2013 vor den Staendigen Schiedshof im Haag, der im Juli 2016 die von China zugrunde gelegte “Nine-dash line” verwarf. Der Haken dabei ist, dass China nicht an dem Verfahren teilnahm und sich auch nicht dem Schiedsspruch unterwarf.

Das “Wort” steht also irgendwie ungehoert im Raum. Am National Heroes Day 2016 sprach der gerade gewaehlte Praesident Rodrigo Roa Duterte zu dem Spruch, auf den sein Vorgaenger, Benigno Aquino hingearbeitet hatte, und sagte in Gegenwart des chinesischen Botschafters Zhao Jianhua, diesen direkt ansprechend: “Ich will den Spruch jetzt nicht verwenden, aber eines Tages, wenn ich Ihren Repraesentanten oder Ihnen gegenueber sitze, werde ich meine Position offenlegen. Und ich wuerde sagen, dass ich aus den vier Ecken dieses Dokumentes nicht rauskomme.” Dass der Botschafter direkt gemeint war, ging aus der weiteren Rede hervor, als er sagte: “Aber jetzt, Herr Botschafter, muss ich Sie einen Moment sprechen. Gebt uns doch ein bisschen Zeit unsere Streitkraefte auch aufzubauen. Ihr seid so ueberlegen.” Das war ein Spaeszchen, und er fuhr fort: “Ich ziehe nicht in den Krieg. Es gibt immer Krieg und Frieden. Und wenn ich fuer den Krieg nicht bereit bin, ist Frieden der einzige Weg.

 



 

Nun aber kam es zu dem Zwischenfall auf der Recto (Reed) Bank, und genau da kommt Duterte “aus den vier Ecken dieses Dokumentes” nicht heraus. Und gestern, bei der Vereidigung seiner Tochter Sara Duterte-Carpio, wiedergewaehlte Buergermeisterin von Davao, und seines Sohnes Sebastian als deren Vize, sprach Duterte kurz und wiederholte eine Frage, die er woertlich Anfang des Monats schon einmal gestellt hatte: “Ist es rechtens fuer ein Land, einen ganzen Ozean zu beanspruchen?” Wenn das Recht sei, okay, dann wuerde er die Sulu See fuer sich beanspruchen, und ihm sei auch egal, ob die USA sich den Pazifik nehmen. Doch die Frage wolle er bei dem ASEAN-Gipfel in Bangkok zur Sprache bringen, zu dem er wenig spaeter abflog.

China, ohne es weiszwaschen zu wollen, muss man zugestehen, dass sie immerhin die Beteiligung eines chinesischen Schiffes eingeraeumt haben – haetten sie ja auch ableugnen koennen, wer will’s beweisen? – und inzwischen eine gemeinsame Untersuchung anbieten. Das sieht Duterte positiv, er ist immer fuer Dialog, weil er “fuer den Krieg nicht bereit” ist, doch da funkt ihm nun Auszen-Minister Teodoro Locsin dazwischen.

Der Mann gefaellt mir, weil er nicht in Ehrfurcht erstarrt, wenn der “Mayor” etwas gesagt hat, sondern seine eigene Position vertritt: “Es wird keine gemeinsame Untersuchung geben.” Und er besteht darauf: “Ich habe meine Sicht zu dem Vorschlag geaeuszert: DFA [Department of Foreign Affairs] handelt nach MEINER SICHT und nicht der eines anderen. Ich habe Minister Medialdea gesprochen; der Palast unterstuetzt mich. Das ist es. Und auch, ich hoere nur auf DND [Department of National Defense] und NSA [National Security Adviser]. Dies ist eine Sache jenseits ziviler Erlasse und faellt in [die Domaene von] DFA, DND und NSA. Punkt.

Locsin hebt darauf ab, dass die 22 philippinischen Fischer hilflos im Wasser zurueckgelassen wurden, und er betont, dass es nach allen Vereinbarungen wie UNCLOS oder den Konventionen der IMO (International Maritime Organization) eine “Pflicht zur Hilfeleistung” gebe, und das duerfe nicht nur ein Lippenbekenntnis bleiben, sondern muesse beachtet werden, wenn es um “Leben oder Tod” geht.

Wir werden sehen, wie das weitergeht, doch sind es auch da wieder “Worte” – UNCLOS, Konvention der IMO – auf die man sich beruft. Wir leben aber in einer Welt, in welcher der US-Praesident Donald Trump Vertraege einfach zerreiszt – die Trans-Pacific Partnership zum Handel, das Paris Agreement zur Klima-Politik, den Iran Nuclear Deal, wo es gestern nach Abschuss einer US-Drohne beinah zum militaerischen Gegenschlag und wer weisz was noch gekommen waere.

Das “Wort” gilt nicht mehr, man greift zur “Tat”, was immer man sich davon auch versprechen mag.

Es gibt kein Welt-Gericht, von dem man sich einen letzt-endlichen Spruch holen koennte, und auch die inner-staatlichen Gerichte kommen ins Wanken.

In seiner Kolumne in der “Times” weist Yen Makabenta heute auf die Aeuszerung des Richters Clarence Thomas am US-Supreme Court hin, der einen Grundsatz amerikanischer Rechtsprechung in Frage stellt. In der Diskussion um die Abtreibung, die die USA derzeit spaltet, zweifelt Thomas die “stare decisis doctrine” an, den Grundsatz, dass die Entscheidung eines Gerichts nicht vorhergehende Entscheidungen kippen kann. Daraus versteht sich die akribische Suche amerikanischer Juristen nach “Praezedenz-Faellen”, denn – hat man einen – darf der aktuelle Fall ja nicht anders ausgehen.

Richter Thomas meint, so haetten Gerichte Macht, ausgehend von nachweisbaren Fehlentscheidungen, weiter Unrecht zu begehen, was nicht “im Sinne des Gesetzes” sein kann. Man muss Entscheidungen kippen koennen, muss sich nicht sklavisch an sie halten. Dies aber koennte sich auf die philippinische Rechtsprechung auswirken, die sich stark an die amerikanische anlehnt. Und da hat Makabenta einen Fall im Auge, der ihn seit der Wahl juckt.

In der Verfassung steht “No Senator shall serve for more than two consecutive terms.” Der Weichmacher ist das “consecutive ~ aufeinanderfolgend”, wenn dazwischen eine Unterbrechung ist. Das Oberste Gericht vertrat am 12. November 2002 in Sachen “Socrates vs Comelec” die Meinung, man koenne dann wieder gewaehlt werden und gestattete Edward Hagedorn nach drei Amtszeiten aufgrund einer Unterbrechung die Wiederwahl.

Kippt dieses Urteil, haette das Folgen fuer die wieder gewaehlten Senatoren Pia Cayetano, Lito Lapid, Bong Revilla und Koko Pimentel, die alle schon mal zwei Amtszeiten hatten. Und nicht nur die: Vicente Sotto, Ralph Recto und Franklin Drilon haben auch schon mehr als zwei Amtszeiten auf dem Buckel. Makabenta sieht da den Geist des Gesetzes verletzt: “Mein Schlusspunkt ist dies. Eine konstitutionelle Regierung ist dem Geiste nach eine [zeitlich] beschraenkte Regierung. … Indem es die Beschraenkung der Amtszeit bei Socrates vs Comelec verletzte, machte sich das Oberste Gericht unwissentlich zum Komplizen bei einem Verstosz gegen die Verfassung.

 



 

Damit stellt sich auch innerhalb eines Landes, wo das Oberste bisher stets “das Oberste” war, die Frage nach der Haltbarkeit des Rechts. Wie lange gilt dies oder das? Oder gilt nur noch die Tat? Oder kann man das Recht – wie Duterte mit dem Spruch des Haager Schiedshofes – auch mal eine Weile in die Schublade legen?

Wenn nun der Gelbe Mob Duterte vorwirft, die souveraenen Rechte der Philippinen zu verletzen, weil er gegen China wegen des Zwischenfalls auf der Recto (Reed) Bank nicht in den Krieg zieht, geht es dagegen nicht um das Recht, sondern um etwas ganz anderes.

Grosz war mal wieder das Jammern gestern, weil Albert del Rosario in Hong Kong nicht einreisen durfte, obwohl er einen Diplomaten-Pass hatte. Del Rosario war mal Auszen-Minister, naemlich der, der Scarborough Shola vermasselt und den Chinesen ueberlassen hat. Er ist kein Diplomat. Dass er einen Diplomaten-Pass hat, ist eine nette Geste der philippinischen Regierung, ihren Ehemaligen das Reisen zu erleichtern. Das beinhaltet aber kein Recht, im Ausland auch so behandelt zu werden, wenn man nicht akkreditiert ist. Ist er nicht, es sollte eine Geschaeftsreise sein, und die Chinesen wollten ihn nicht. Das wurde nicht begruendet, aber jeder weisz, das del Rosario gemeinsam mit Conchita Carpio-Morales gegen Chinas Praesident Xi Jinping vor das ICC (International Criminal Court) gegangen sind – was erwarten sie da von China? Blumen zur Begrueszung? Carpio-Morales wurde vor einem Monat abgewiesen, del Rosario gestern.

Ein Pass berechtigt zu gar nichts. Ein Visum ist ein Privileg, kein Recht, das man haben oder bekommen kann. Und so wurde der wahre Zweck der Reise auch schnell klar, als ich gestern im TV die Berichte dazu sah. Als del Rosario gestern aus Hong Kong abgeschoben zurueck kehrte, wurde er am Flughafen in einem Schwarm von Reportern begrueszt von – na, dreimal raten – Conchita Carpio-Morales! Natuerlich gaben beide auch die ueblichen Erklaerungen an die Presse ab.

Es war widerlich anzuschauen, wie der Gelbe Mob “media mileage” macht, und nicht nur da. Nachdem Vize-Praesidentin Leni Robredo im TV gesehen hat, dass – bis auf den Praesidenten – so ziemlich jedes auch nur periphaer betroffene Regierungs-Mitglied in Mindoro Occidental war, um mit den Fischern der “Gem-Ver” zu sprechen – und so ins Fernsehen zu kommen – fuhr sie auch dahin und bekam ihren TV-Auftritt. Einen TV-Auftritt der etwas anderen Art bekommt derzeit auch Maria Ressa bei “CNN”, in der internationalen Version. Dort wird eine “home story” fuer die “gefeierte Journalistin” oefter wiederholt, dass sie ja niemand verpassen kann. Wie in “home stories” ueblich, gibt es keine kritischen Fragen, und Ressa hat ausgiebig Zeit zu erlaeutern, dass sie verfolgt wird, weil sie es wagt, die Wahrheit ueber Duterte zu sagen.

Na gut, die Wahrheit kennen wir schon, und damit Schluss fuer heute, und Visayan faellt aus, weil ich mal wieder spaet dran bin – ich muss Fruehstueck machen.

 



 

Gemaesz “Manila Times”, “Manila Bulletin”, “Daily Tribune”, “PhilStar” u.a.

 

Mein Name ist Heiko Eckard. Ich wurde 1946 in Werries – Deutschland – geboren, besuchte das Neusprachliche Gymnasium in Hamm, studierte Philosophie und Mathematik in Münster und arbeitete als Programmierer in München, Nürnberg und Fürth. Nach meiner Pensionierung ging ich 2011 mit meiner Frau Ofelia Villaflores Eckard in ihre Heimat, General Santos City – Philippinen. Auf dieser Seite beschreibe ich, was mir aus der philippinischen Presse ins Auge sticht.

Die Presseschau von Heiko Eckard wird mit seiner Einwilligung und Erlaubnis in den PHILIPPINEN NACHRICHTEN & MAGAZIN veröffentlicht.

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