…AUS DER PHILIPPINISCHEN PRESSE
PRESSESCHAU VON HEIKO ECKARD
Sonntag, den 18. Februar 2018
Das Wort zum Sonntag… – …kommt eigentlich am Samstag. Doch ich schrieb schon letzte Woche, dass die Welt gespalten sei in zwei Parallel-Universen, die Duterte-Welt und die Gegen-Welt, und ich moechte das heute gern fortsetzen.
In ihrer Kolumne im “Manila Standard” arbeitete Elizabeth Angsioco sich gestern an der Konferenz zu “Democracy and Disinformation” ab, ueber die ich mich letztens lustig gemacht hatte, weil sie von “Rappler” und “Inquirer” veranstaltet wurde, den zwei groeszten Desinformanten hierzulande. Das sieht Angsioco anders, und ich moechte nicht in den Ruf kommen, andere Meinungen totzuschweigen, was ja auch eine Art Desinformation waere.
Also, Angsioco widerspricht der Meinung, das Volk sei dumm, was elitaere Teilnehmer akademischer Konferenzen vielleicht glauben: “Ich habe Leute sagen gehoert, dass wir ein Volk von Narren sind. Die Leute seien teilnahmslos. Ich glaub das nicht eine Sekunde. Leute bilden ihre Meinung basierend auf der Information, die sie haben und verstehen. Diese Regierung, gefuehrt vom Praesidenten, weisz wie sie ihre Zielgruppe anspricht – das gemeine Volk. Sie sprechen eine Sprache, die die Leute verstehen. Ihre Message ist einfach und geradeaus.” Gegen diese unsaegliche Politik der Duterte-Regierung kommt eine “vernuenftige” Politik daher nur so an: “Es ist noetig unsere Komfort-Zonen zu verlassen und mit dem Volk zu reden. Das koennen Fahrer sein, Markt-Verkaeufer, Friseusen, Bekannte, etc.”
An dieser Stelle bekam ich einen Lachkrampf. Es erinnerte mich zu sehr an eine PR-Kampagne, mit der man vor Jahren einmal das schlechte Image der Queen beim Volk aufpolieren wollte. Sie besuchte eine einfache Arbeiter-Familie, und da sasz man sich beim Tee gegenueber und hatte sich nichts zu sagen. Es war einfach nur peinlich.
Doch bleiben wir bei Angsioco. Menschen bilden sich ihre Meinung nicht durch Informationen. Dieser Aberglaube des Informations-Zeitalters hat sich leider in zu vielen Hirnen festgefressen. Leute bilden sich ihre Meinung, wenn sie durch ihre eigenen Geschichten an den Punkt gefuehrt werden, von dem aus sie sehen koennen, was der Redner sie sehen machen will. Das klingt schwierig, ist aber so einfach, dass es das “gemeine Volk” versteht.
Beispiel: Bei einer Rede zu Filipinas, die aus Kuwait zurueckkamen, erzaehlte Praesident Duterte ihnen, sie sollten keine Kondome benutzen, die machen keinen Spasz. Nun liegt der Witz an dieser Stelle darin, dass in “hindi masarap ‘yang condom ~ nicht wird erfreuen/schmecken euer Kondom” dieses “sarap” eben “erfreuen” oder “schmecken” bedeuten kann. Und passend dazu nahm Duterte ein Bonbon und meinte, sie sollten das mal lutschen ohne es aus dem Papier zu packen – und die Filipinas giggelten voller Verstaendnis nur so vor sich hin.
Hierueber regt sich nun HRW (Human Rights Watch) auf und meint, das waere ein Rueckschlag fuer den weltweiten Kampf gegen HIV – Kondome seien sehr sinnvoll! Und die Frauen-Gruppe Gabriela regt sich auf, dass Duterte zur Geburten-Kontrolle – das war der ernsthafte Aspekt der Rede, weil zu viele Kinder arme Leute noch aermer machen – an der Stelle den Frauen sagte, dass sie lieber frei erhaeltliche Anti-Baby-Pillen nehmen sollen. Gabriela trompetet, dass Frauen selbst entscheiden, ob sie Kinder haben wollen oder nicht, und so weiter und so weiter…
Jeder pickt sich eine Information aus einer Rede, an der er meint, sich hochziehen zu koennen, um sich selbst in die Presse zu bringen, denn – so geht das Spiel – wer es nicht bis in die Presse schafft, ist schon so gut wie tot.
Damit erreichen sie aber nur Redakteure der eigenen Bildungs-Klasse. Ein paar Zeitungen bringen das “pflichtgemaesz”, aber wer liest das? Ich kenne nur einen armen Filipino, der regelmaeszig den “Inquirer” liest: das ist der Zeitungsjunge, der hier am National Highway bei der Ampel steht, wo sich die Autos stauen, und den Fahrern den “Inquirer” verkauft. Wenn nichts los ist, sitzt er da und liest ihn selbst. Aber er kauft die Zeitung nicht, genauso wie andere arme Filipinos, die mit dem Geld auch was Besseres anzufangen wissen – 20 Peso reichen fuer ein halbes Kilo Reis – als dass sie es fuer “Informationen” ausgeben, die sie eh nicht betreffen.
Die Duterte-Geschichten laufen anders, und Filipinos moegen das. Ich erinnere einen alten Witz, den ich von meiner Frau gehoert habe: Eine Truppe zur Aufklaerung besucht Lumad in ihrem Dorf in den Bergen, und erklaert den Frauen, wie man mit einem Kondom zu viele Kinder verhindern kann. Zur Demonstration nimmt die Sprecherin ein Kondom, zieht es ueber ihren hochgereckten Finger: “So geht das, wenn der Mann euch will!” Die Filipinas nicken. Nach ein paar Monaten kommt die Sprecherin wieder in das Dorf, und eine der Filipinas ist schwanger. “Ja, hast du kein Kondom genommen?” “Doch, ich hab es mir immer ueber den Finger gezogen und ganz hoch gehalten, wenn mein Mann bei mir war.”
Bei dem Witz geht es nicht darum, sich ueber die Lumad lustig zu machen. Irgendwer muss halt herhalten, wenn eine Filipina mit dem “Mund oben” ueber den “Mund unten” und das “real thing” reden will. Der Witz ist nach Sigmund Freud eine der wenigen Moeglichkeiten Tabus zur Sprache bringen zu koennen, und ueber manches muss gesprochen werden, das bringt das Leben so mit sich, auch wenn man katholisch erzogen wurde. Es sind solche Geschichten und Witze, die bei Filipinos ankommen. Ich kann mir aber beim besten Willen nicht vorstellen, wie Elizabeth Angsioco, wenn sie ihre “Komfort-Zone” verlaesst und zum Beispiel mit ihrer Friseuse spricht, dieser mit einer Geschichte vermitteln koennte, wie die sich vor den ueblen Posts der Duterte-Blogger schuetzen kann, die sie nur “desinformieren” wollen.
Duterte hat diese Geschichten drauf. Die schuettelt er aus dem Handgelenk, und deshalb kommt er bei 80% der Bevoelkerung an. Und die interessiert nicht die Bohne, wenn Yen Makabenta in “The Manila Times” einen Artikel zu “Duterte’s lunatic misogyny” schreibt (siehe gestern). Ich musste ja selbst erst im Lexikon nachschauen, was das bedeutet, als Leila de Lima im Oktober 2016 als Gastrednerin des Forums “Buhay at Babae (~ Leben und Frau)” Duterte als “flaming misogynist (~ gluehenden Frauenfeind)” bezeichnete. Damit macht sie vielleicht Eindruck in intellektuellen Kreisen, aber damit kann sie bei keiner Marktfrau landen.
Es geht eben nicht um “richtige” oder “falsche Information”. Unsere Zeit mag diesen Gedanken ja nahelegen, in der die Informations-Verarbeitung Fortschritte gemacht hat, die ich mir nicht vorstellen konnte, als ich beim Studium der Mathematik mein erstes Programm auf Lochkarten stanzte. Ich habe bei fortgeschrittener Technik damit spaeter meine Broetchen verdient – Algorithmen liegen mir. Mein Interesse galt aber meinem anderen Fach, das zwar kein Geld brachte, aber trotzdem immer an erster Stelle bei mir stand: Philosophie. Zwischen meinem sechzehnten und achtzehnten Lebensjahr setzte sich irgendwann bei mir die Frage fest: was passiert in meinem Kopf, wenn ich etwas verstehe?
Ich bin durch das Studium nicht drauf gekommen, und mein Versuch Philosophie-Lehrer zu werden scheiterte mit dem Zweiten Staatsexamen. Das war gut so, denn damals hatte ich nichts, was ich selbst verstanden haette. Ich suchte noch, und da war es sehr praktisch, dass ich auch “ein mathematisches Bein” hatte, das mich ernaehrte. Doch die Frage liesz mich nicht los, bis ich so im zarten Alter von vierzig Jahren darauf kam: die Bedeutung, also das, was angeblich hinter der Information steckt und “verstanden” sein will, ist nicht “in” oder “hinter” der Information, sondern die Bedeutung ist immer schon beim Zuhoerer. Man muss sich auf den Zuhoerer einlassen und durch geeignete Worte und Saetze (~ Informations-Fetzen) dessen eigene Geschichten kitzeln, dass die ihn an den Punkt fuehren, wo er sehen kann, was man ihn sehen machen will. Die Wege, die so im Hirn des Zuhoerers geebnet werden, bilden nach und nach dessen Meinung, und in gewissem Sinne koennte ich den asiatischen Weisen Lao Tse zitieren: “Der Weg ist das Ziel.” Die Worte und Saetze sind weniger wichtig. In der westlichen Philosophie hat Ludwig Wittgenstein das einmal so ausgedrueckt, man muesse die “Leiter wegwerfen”, nachdem man auf ihr hinaufgestiegen ist.
Wer sich an “Information” klammert, kommt nie bei den Geschichten an. Man muss Worte Worte sein lassen, damit die Geschichten Luft kriegen und sich selbst bewegen koennen. Nachplappern reicht fuer indoktrinierte Fanatiker, seien sie kommunistisch oder islamistisch. Und eben das ist das Dilemma von Politikern und Journalisten, die meinen mit “richtiger Information” vorankommen zu koennen. Diese Buchstaben-Reiter der Gegen-Welt stehen verstaendnislos vor den Geschichten der Duterte-Welt und begreifen buchstaeblich nichts.
In eigener Sache – Ich bin mal ein paar Tage auszer Haus, Davao, BI, und kleiner Ausflug in der Gegend. Da mein Internet-Zugang stationaer ist und ich unterwegs auch andere Dinge im Kopf habe, gibt es hier eine kleine Pause – bis die Tage!
Gemaesz “ManilaStandard”, “InterAksyon” u.a.
Mein Name ist Heiko Eckard. Ich wurde 1946 in Werries – Deutschland – geboren, besuchte das Neusprachliche Gymnasium in Hamm, studierte Philosophie und Mathematik in Münster und arbeitete als Programmierer in München, Nürnberg und Fürth. Nach meiner Pensionierung ging ich 2011 mit meiner Frau Ofelia Villaflores Eckard in ihre Heimat, General Santos City – Philippinen. Auf dieser Seite beschreibe ich, was mir aus der philippinischen Presse ins Auge sticht.