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…aus der philippinischen Presse

 

PRESSESCHAU VON HEIKO ECKARD

Samstag, den 05. Januar 2019

(zum Bild: Rolando Andaya und „pork“)

 

Philosophie der Geschichten – Der Philosoph Wilhelm Schapp schrieb, dass wir nicht Worte oder Saetze, sondern nur Geschichten verstehen. Zwanzig Jahre nach meinem Studium der Philosophie loeste mir diese Einsicht die Frage, die mich umtrieb: was passiert, wenn wir etwas verstehen? Eine Geschichte fuehrt uns im Kopf an den Punkt, an dem wir sehen, was der Erzaehler uns sehen machen will – wenn sie passt. Passt sie nicht, kommt sie in den Papierkorb oder in die Ablage zur spaeteren Betrachtung.

Diese Philosophie hat einen Nachteil: wir kommen nie zur Wahrheit. Dass eine Geschichte passt, heiszt nicht, dass sie wahr ist. Geschichten lassen sich nicht bestaetigen, durch was auch? Es koennte nur wieder eine Geschichte sein, denn – da sind wir am Anfang – was anderes verstehen wir nicht.

Eine Mord(s)geschichte – Am 22. Dezember 2018 wurde der Abgeordnete Rodel Batocabe erschossen. Die PNP (Philippine National Police) untersuchte den Fall, und deren Chef Oscar Albayalde praesentierte das Ergebnis: der Buergermeister Carlwyn Baldo steckt dahinter. Er hat Leute geheuert, die das fuer ihn machen, und Schuetze ist der fluechtige Henry Yuson. Motiv: Batocabe wollte dieses Jahr fuer das Amt des Buergermeisters gegen Baldo kandidieren. Baldo beteuerte seine Unschuld. Da stellte Yuson sich selbst der Polizei, gab zu der Schuetze zu sein und zeigte auf Baldo, der fuer die Tat 5 Mio Peso versprochen hatte. Auszer einer Anzahlung von 250 Tsd Peso zur Beschaffung von Waffen und Motorrad fuer die Tat haetten sie jedoch nichts bekommen. Baldo bestreitet weiterhin der Anstifter zu sein und erklaert, er werde als Suendenbock benutzt. Der Fall ist Titelgeschichte nicht nur in der “Manila Times” heute.

Wir hatten so einen Fall schon mal.

Die Senatorin Leila de Lima praesentierte 2016 in von ihr angeregter und geleiteter Untersuchung der EJKs (Extra Judicial Killings) den Zeugen Edgar Matobato, der zugab zur DDS (Davao Death Squad) zu gehoeren und fuer Rodrigo Duterte, damals Buergermeister von Davao, Morde ausgefuehrt zu haben. Matobato gab zu, dass er selbst Duterte nie gesprochen hatte. Alles lief ueber seinen Chef Arthur Lascañas, der in der Untersuchung das als Luege abstritt. Damit scheiterte de Limas Attacke auf Praesident Duterte, sie selbst verlor den Vorsitz in dem Ausschuss des Senats.

Die Frage im aktuellen Fall ist: hat Yuson selbst mit Baldo gesprochen? Oder lief das auch ueber einen Mittelsmann? Was sagt der?

Hat Yuson mit ihm selbst gesprochen, ist Baldo verloren. Die Geschichte, dass sich jemand selbst des Mordes bezichtigt, und dafuer wird er einfahren, und dann einen x-beliebigen Menschen als Anstifter benennt, wird ihm kein Gericht abnehmen. Das passt nicht. Ist dagegen ein Mittelsmann im Spiel, der womoeglich auf der Flucht ist, sieht das anders aus.

Die Sache der DDS war mit de Limas gescheiterter Attacke nicht vom Tisch. Nach seiner Pensionierung kam Lascañas, gesponsort von Senator Antonio Trillanes, mit einem Gestaendnis heraus, dass alles wahr sei, was Matobato gesagt hatte. Er sei bei der Untersuchung meineidig gewesen. Danach setzte er sich in’s Ausland ab, und Trillanes ging zum ICC (International Criminal Court), worauf Duterte die Roemischen Vertraege kuendigte, auf denen die Mitgliedschaft beim ICC beruht.

Wir werden sehen, wie sich diese und wie sich jene Geschichte entwickelt, und ob da irgendwann mal etwas passt.

Eine Geldgeschichte – Der Mehrheitsfuehrer im Haus, Rolando Andaya, attackierte am 11. Dezember 2018 in einer Anhoerung den Haushalts-Minister Benjamin Diokno und bezichtigte ihn, nachtraeglich “pork” in das Budget eingefuegt zu haben. Diokno bestritt das, und Andaya legte spaeter nach, dass es da verwandschaftliche (in-law)-Beziehungen gebe, wem diese Gelder zugute kommen. Dazu gab es vorgestern eine Untersuchung des Hauses, zu der Yen Makabenta in seiner Kolumne in “The Manila Times” einige Fragen hat. Der Mehrheitsfuehrer des Hauses ist ueblicherweise der Stratege, der nicht selbst einen Ausschuss leitet, sondern mit den Leitern der Ausschuesse Termine koordiniert und Ergebnisse in die Gesetzgebung einbringt. Warum aber beraumt Andaya eine Untersuchung an, in der er als Angreifer auftritt und die er selbst leitet? Und warum fand das nicht im Haus statt, sondern in Naga City, Camarines Sur? Sollte nicht soviel Presse anwesend sein? Welche Fakten fuehrte Andaya an, dass Haushalts-Minister Diokno da gemauschelt habe? Und schlieszlich und endlich – wer sind denn nun die Verwandten, die da profitieren?

Makabenta findet, dass Andaya, den Begriff der “in-laws ~ Verschwaegerung” sehr weit ausdehnt, denn es sind nicht Dikonos Verschwaegerte, sondern die seiner Tochter. In der Untersuchung wurde aber nicht klar, wer das nun sein sollte. Diokno streitet kategorisch ab, “in-laws” zu beguenstigen, und – bedauert Makabenta – Andaya kann sie nicht identifizieren.

Bis jetzt passt da nichts, und mich erinnert das wieder an die Attacke, die de Lima mit dem DDS-Vorwurf gegen Duterte ritt. Ob es hier auch so ausgeht?

Eine Sex-Geschichte – Mehr Aufmerksamkeit als sie verdient findet die Geschichte, die Praesident Duterte in seiner Rede in Kidapawan zum besten gab, und aus der die Gabriela Woman Party einen Vergewaltigungs-Vorwurf gegen ihn ableiten will. Ich haette darueber nicht wieder geschrieben, haette nicht Antonio Contreras sich das heute in seiner Kolumne in “The Manila Times” vorgenommen.

Contreras findet es nicht normal, dass ein 13-jaehriger Junge ein schlafendes Hausmaedchen befummelt, und das sollten wir nicht so oder so rechtfertigen, auch nicht, wenn die Geschichte blosz erfunden ist. Es geht ihm dabei auch nicht so sehr um die Geschichte, sondern wie wir damit umgehen: “Da ist diese ungesunde politische Schizophrenie, die in uns eitert, wo unser Sinn fuer Aufregung, seien wir Duterte-Unterstuetzer oder –Kritiker, nicht laenger sich nach der Tat bemisst, sondern von unserem politischen Standpunkt geleitet wird. Wir regen uns auf, wenn es politisch passt, und wir lassen das, falls nicht. Das Gestaendnis der Belaestigung des Hausmaedchens, sei sie erfunden oder nicht, testet unseren Sinn fuer das Gute und das Richtige und fuer unsere Faehigkeit zur Vernunft als menschliche Wesen. Und es scheint, dass viele von uns in diesem Test gescheitert sind.

Es bleibt dem Leser ueberlassen, ob ihm diese Contreras-Geschichte passt oder nicht.

Gemaesz “ManilaTimes”, “ManilaBulletin” u.a.

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