aus der philippinischen Presse
PRESSESCHAU VON HEIKO ECKARD
Mittwoch, den 15. Juli 2020
Zum Bild: Ein ‚Mexican Standoff‘ im Südchinesischen Meer
Ein Mexican Standoff… – …ist laut “Wikipedia” eine Konfrontation, die von keiner Seite gewonnen werden kann. Klassisches Beispiel dafuer ist das Dreier-Duell zum Schluss von Sergio Leones Film “The Good, the Bad and the Ugly”. Hier gewinnt allerdings der Gute (Clint Eastwood), der den Boesen (Lee van Cleef) erschieszen kann, weil er heimlich die Waffe des Haesslichen (Eli Wallach) entladen hat und sich nur auf einen konzentrieren muss.
Im Anschluss an mein gestriges Blog zur Falle des Thukydides gab es in “ChrisWissenswertes” eine Diskussion zur Lage in der South China Sea, die derzeit eskaliert, da sich die USA gegenueber China dort als Weltmacht behaupten wollen. So liesz US-Auszenminister Mike Pompeo anlaesslich des vierten Jahrestages des Haager Schiedsspruches in einem Statement wissen: “Wir stehen an der Seite der internationalen Gemeinschaft, um die Freiheit der Meere und die Achtung der Souveraenitaet zu verteidigen, und lehnen jeden Versuch ab, in der South China Sea oder in der weiteren Region ‘Macht macht Recht’ durchzusetzen.”
Dieses Recht, um das es da geht, ist allerdings angemaszt. Der Staendige Schiedshof im Haag ist kein Gericht, sondern ein Schiedshof, und fuer den gilt, dass er von zwei Parteien angerufen werden kann, die sich einig sind, sich dessen Spruch zu fuegen. Da China den Hof abgelehnt hat und nicht zum Haag gegangen ist, war die Verhandlung dort nichts als ein “Kangoroo Court”, dessen Spruch kein Recht stiften kann.
Auf diesem “Recht” aber beharren die USA und die damals von ihnen vorgeschickten Philippinen. Da die USA kein Anrainer der South China Sea sind, konnten sie selbst nicht zum Haag gehen und klagen. Sie brauchten einen Dummen, und Benigno Aquino hat sich schicken lassen. Diese Linie wird von den Liberalen, die nun in der Opposition sind, immer noch vertreten. Ihr Wortfuehrer ist der Ex-Auszenminister Albert del Rosario.
China sieht das anders und laesst verlauten: “Wir raten der US-Seite, ihre Zusage ernsthaft einzuhalten, in der Frage der territorialen Souveranitaet nicht Partei zu ergreifen, die Bemuehungen der Laender der Region um eine friedliche und stabile South China Sea zu respektieren und ihre Versuche einzustellen, den Frieden und die Stabilitaet in der Region zu stoeren und zu sabotieren.”
Hierin sehe ich nun den Mexican Standoff, in dem sich die USA und China mit geladener Waffe gegenueberstehen – jeder der beiden sieht sich dabei als den “Guten” und den anderen als den “Boesen” – und als Dritter sind dabei die Philippinen, von denen die zwei wissen, dass die nur Platzpatronen haben.
In dieser Situation beansprucht Praesident Duterte als souveraener Staat auf Augenhoehe behandelt zu werden. Er will weder den einen noch den anderen als Vormacht (~ Vormund) anerkennen. Angesichts der Machtverteilung ist das aberwitzig, doch nach internationalem Recht die einzig haltbare Position, da die USA nur ein angemasztes Recht und China die “Normativitaet des Faktischen” anfuehren kann.
Die Situation kann von keinem gewonnen werden.
Die einzige Loesung waere Dutertes Ansinnen sich gleichberechtigt zu einigen. Dem aber koennen die USA nicht zustimmen, weil sie Vormacht, und China nicht, weil sie kein Zweiter sein wollen.
So klingt es ein wenig putzig, wenn Sprecher Harry Roque erklaert: “Waehrend die Groszmaechte ihre Rivalitaet eskalieren, um uns auf ihre Seite zu ziehen, wollen wir sicher sein, dass wir unser nationales Interesse voranbringen.”
Eine solche “Sicherheit” gibt es bei diesem Mexican Standoff aber nicht, weil einer der Beteiligten ein Psychopath ist, der Wirklichkeit und Wunschwelt nicht auseinanderhalten kann. Der Westen und die hiesige Opposition haben sich daran gewoehnt, Duterte als den “Boesen” zu identifizieren, und so meint Albert del Rosario, Ex-Auszenminister, der unter Benigno Aquino den Standoff bei Scarborough Shoal vermasselt hat, ja immer noch, dass Duterte nicht gegenueber Xi Jinping, sondern “vor der Welt” dem Haager Schiedsspruch Geltung verschaffen koenne, wie ich heute in der “Times” lese – “Duterte still has chance to raise Hague ruling before the world”. Nun, “vor der Welt” muss man da mit “im Westen” uebersetzen. Was aber, wenn das Drehbuch zu diesem Film nicht im Westen geschrieben wird, und ein ganz anderer den “Boesen” gibt?
Der Westen ist nicht der Nabel, um den sich die Welt dreht, und Raul Dancel setzt das putzige Roque-Zitat in seinem Artikel in der “Straits Times” fort. Der Haager Schiedsspruch sei nicht die “Gesamtsumme unserer Beziehungen” sagt Roque noch, und “Wir muessen uns nur einig sein, nicht einig zu sein (agree to disagree). Wir werden mit unseren bilateralen Beziehungen (mit China) fortfahren.” Die Philippinen wollen nicht vor dem Westen gut aussehen, sondern sie suchen ein Ende der Streitigkeiten mit China im Rahmen von ASEAN und durch Mechanismen wie den “Code of Conduct”, um Streitigkeiten in der South China Sea zu loesen. Unausgesprochen heiszt das, die USA stoeren nur, und die Philippinen und ASEAN klinken sich bei dem Dreier-Standoff aus.
Ich weisz, dass es Wunschdenken ist, doch wenn gemaesz der “westphalian sovereignty” die Welt aus souveraenen Staaten besteht, dann sollten diese nicht bevormundet werden, wenn sie sich bilateral einigen wollen. Es ist das Problem des Westens, den sein “koloniales Stammhirn” glauben macht, den Rest der Welt beaufsichtigen zu muessen. Wer hat ihnen gesagt, dass sie erziehungsberechtigt sind?
Der Einwand, dass es unter China nicht besser sein wird, hat seinen Pferdefusz darin, dass man China mit den USA gleichsetzt. Aber wer sagt denn, dass die Zukunft “unter China” sein muss und nicht “mit China” sein kann? Letzten Mittwoch referierte ich den Aufsatz “’Westlessnes’ and ‘Restlessnes’ in the Age of China’s Rise” von Professor Li Xing an der Universitaet Aalborg, Daenemark. Darin hiesz es: “Es ist falsch anzunehmen, dass autoritaere politische Systeme und Regierungs-Modelle von Natur aus statisch sind. Im Gegenteil, Chinas Geschichte seit 1949 zeigt, dass sich das Partei-Staat-System anpassen musste, um zu ueberleben.”
China kann sich anpassen, die USA offenbar nicht. Die USA stehen eben nicht “an der Seite der internationalen Gemeinschaft”, sondern – “America first” – nur fuer sich selbst. Vor diesem Hintergrund ist die Wendung Dutertes – sein “pivot to China” – nicht nur nachvollziehbar, sondern nachvollziehbar vernuenftig.
Gemaesz “Wikipedia”, “NDTV”, “Manila Bulletin”, “Manila Times”, “Straits Times” u.a.
Mein Name ist Heiko Eckard. Ich wurde 1946 in Werries – Deutschland – geboren, besuchte das Neusprachliche Gymnasium in Hamm, studierte Philosophie und Mathematik in Münster und arbeitete als Programmierer in München, Nürnberg und Fürth. Nach meiner Pensionierung ging ich 2011 mit meiner Frau Ofelia Villaflores Eckard in ihre Heimat, General Santos City – Philippinen. Auf dieser Seite beschreibe ich, was mir aus der philippinischen Presse ins Auge sticht.
Die Presseschau von Heiko Eckard wird mit seiner Einwilligung und Erlaubnis in den PHILIPPINEN MAGAZIN mit NACHRICHTEN veröffentlicht